Meinung

Second-Hand vernetzt e.V.

Secondhand gehört an den Anfang der Kaufentscheidung!

Zeitlose Fragen: Wohin mit meinen Klamotten, wenn ich sie nicht mehr mag? Wohin mit dem Schrank, wenn ich umziehe undi hn nicht mehr brauche? Second-Hand, Flohmarkt, tauschen, Sperrmüll oder gleich entsorgen? Nachgedacht wird erst am Schluss. Doch die Fragen gehören an den Beginn der Kaufentscheidung, fordert Daniela Kaminski.

Vom Plastikbrett zum Holzlöffel

Eine Lösung auf die Frage nach Produkten, die ich müllfrei entsorgen kann, war recht einfach zu beantworten: Seit Jahren gibt es in meiner Küche nur noch Holzlöffel und Holzbrettchen. Beide sind nur bedingt Secondhand kompatibel, zugegeben, aber wenn niemand sie mehr braucht oder sie einfach „auf“ sind, wandern sie schlichtweg in den Ofen oder ins Lagerfeuer. Das war meine erste zufrieden stellende Lösung für die Frage „wohin damit?“

 

Müllfrei mit dem cradle-to-cradle Konzept

Als Vertreterin des Second-Hand Verbandes saß ich 2005 auf der Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft, ifat, mit Professor Michael Baumgartner auf dem Podium. Er putzte Second-Hand als „nur noch eine Schleife“ im Materialienkarussel mit einer Handbewegung weg. Ich war leicht angekratzt, aber nachträglich gebe ich ihm Recht. Denn was kommt nach „Second-Hand“?
Das cradle-to-cradle-Konzept fordert, nur noch den Nutzen z.B. eines TV-Geräts zu kaufen und es anschließend an den Hersteller zurückgeben zu können. Der baut es vorher so, dass es repariert werden kann oder zerlegbar, so dass alle Teiler oder Materialien wieder nutzbar gemacht werden können. Diese sind, so die Forderung, ohnehin kompostierbar oder ohne Reste nutzbar, s. meinen Holzlöffel. Mehr dazu lest ihr im Artikel „Ökoeffizienz“ bei Wikipedia = https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96koeffizienz .

Von Langlebigkeit, Nachhaltigkeit und Müllfreiheit

Wie schwer eine müllfreie Gesellschaft zu schaffen ist, belegen all die Versuche, allein ohne Plastik den Alltag zu bestreiten. Die aktuellste Liste der 12 Dinge, die ewig halten, der Platform Utopia zeigt: Langlebigkeit ist kein Synonym für 100prozentige Kreislaufwirtschaft. Aber: der moderne Mensch, der zugleich eingebunden ist in die Arbeitswelt, ist natürlich auch eingebunden in das Produktions- und Gesellschaftssystem. Er kann nicht besser sein als dieses, aber sich das Beste aussuchen.

Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt

Müllfrei einkaufen zu gehen kann zu einem ehrgeizigen Sport werden. Das einfachste ist der Kauf von losem Gemüse und Obst. Erstaunlich und erfreulich, was in den letzten zwei Jahren da bei Discountern und Supermärkten in Bewegung gekommen ist. Pfandgläser und -flaschen gehören zur Selbstverständlichkeit. Milch gibt es für mich 2 Kilometer weiter an der Milchtanke – herrlich. Garderobe kaufe ich vor Ort, mein Buch von der Büchergilde hole ich direkt im Laden ab.
Doch wie soll ich mich entscheiden, wenn bspw. bio mit Plastikverpackung angeboten wird, das konventionelle Produkt in der Glasflasche? Manchmal knirscht es im Wertesystem ganz gewaltig. Daher habe ich eine Prioritätenliste entwickelt.

Meine persönliche Ampel

Grün: Regional kaufen am besten mit dem Fahrrad und am besten auf dem Markt, da gibt es vieles lose.
Gelb: Eher konventionell statt Plastikverpackung. Warum? Plastik vermeiden hat bei mir oberste Priorität. Andere Menschen überleben auch das konventionelle Olivenöl, der Plastikverschluss landet aber mit Sicherheit in den nächsten zwei Jahrhunderten irgendwo, wo er nicht hingehört.
Rot: PET-Flaschen, unnötige Verpackungen wie eingeschweißte Bananen, fertig geschnibbelter Salat, Äpfel in Tüten oder Sixpacks, Getränkedosen und „leere“ Lebensmittel wie Tütensuppen, Fertiggewürzmischungen.
Ja, vieles davon kostet Zeit. Doch Ökologie und Zeit haben ohnehin viel miteinander zu tun.

Mehr: http://secondhand-online.de/blog/179-second-hand-first

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aus „20 Jahre SSM“, Broschüre 1999

Soviel Anfang war nie

Von Heinz Weinhausen

»Soviel Ende war nie«. Mit diesem fulminanten Satz beginnt Robert
Kurz sein Buch »Der Kollaps der Modernisierung«. Und meint, daß die Epo-
che der sogenannten Moderne zu Ende geht, die 200 Jahre junge Arbeits-
und Geldgesellschaft.
Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts gab es heftigen Widerstand ge-
gen diese Gesellschaftsform, weil sie eine Enteignung von stofflichem Reich-
tum bedeutete. So spielte im Mittelalter das Geld nur eine marginale Rolle
von 20% der wirtschaftlichen Leistung. Die Menschen versorgten sich noch
selbst in Form der Großfamilie und anderen Gemeinschaftsformen wie der
Allmende. Wer beispielsweise Holz brauchte, konnte es sich im Wald neh-
men. Ökonomie war noch eingebettet und nur ein Aspekt des gesamten
Lebens.

Die Moderne hat die verwobene Ganzheit zerrissen. Heute verdiene
ich – wenn ich noch Arbeit habe – mein Geld in der einen Ecke der Stadt,
wohne in der anderen, kaufe in der Mitte ein, hole meine Tochter aus dem
Kindergarten, besuche meinen Vater im Altenheim, fahre ins Grüne und flie-
ge in Urlaub. Ich bin überall und nirgends, funktioniere, delegiere und kon-
sumiere. Der inneren Leere entspricht die Wegwerfgesellschaft. Der gesell-
schaftlichen Isolierung entspricht die Gleichgültigkeit der über Geld vermit-
telten Beziehungen. Der eigenen Ohnmacht entsprechen die Sachzwänge
der entbetteten Konkurrenzökonomie und das Versagen des Sozialstaates.
Die Computertechnologie entzieht der Moderne schließlich den Bo-
den. Wenn stetig und zunehmend mehr Arbeitsplätze wegrationalisiert wer-
den als überhaupt neue geschaffen werden können, dann ist dieses Gesell-
schaftssystem letztlich nicht mehr bezahlbar. Das ist die banale, aber viel-
fach verdrängte Ursache der vielen Krisenerscheinungen, wobei das Auf-
plustern der Aktien-, und Finanzmärkte nur ein Strohfeuer bedeutet, das
bald erlöschen muß.

In diesen Epochenumbruch ist das Projekt der SSM einzuordnen. Hier
wird wieder an ältere Wirtschaftsformen angeknüpft, allerdings nicht rück-
wärtsgewandt, sondern in radikal-emanzipatorischer Weise. Statt Großfa-
milie freiwilliger Zusammenschluß. Statt patriarchaler Hierarchie konkrete
Basisdemokratie. Statt religiöser Dogmen vielfältiger Humanismus. Statt Mo-
notonie vielseitige Betätigung. Statt Holzpflug
Bohrmaschine, LKW und Computer.
In der heutigen Sinnkrise und Zeiten des
Einbruchs der Marktwirtschaft befindet sich die
SSM bereits mit einem Fuß im neuen »Raum
der Möglichkeiten«. Wenn Menschen – Gesun-
de und Kranke, Behinderte, Alte und Junge, Star-
ke und Schwache, – sich zusammenschließen
und sich in das gesellschaftliche Geschehen ein-
mischen, ihren eigenen Lebenszusammenhang
regeln und gestalten, wenn sie Ressourcen wie
Häuser und Maschinen besitzen und sich das
nötige Knowhow aneignen, können sie trotz –
oder gerade wegen – weniger Geld reicher und
zufriedener leben.

Dafür steht die SSM; als reales Fenster in
eine gesellschaftliche Zukunft, die da heißt: Soviel Anfang war nie.