aus „20 Jahre SSM“, Broschüre 1999
Soviel Anfang war nie
Von Heinz Weinhausen
»Soviel Ende war nie«. Mit diesem fulminanten Satz beginnt Robert
Kurz sein Buch »Der Kollaps der Modernisierung«. Und meint, daß die Epo-
che der sogenannten Moderne zu Ende geht, die 200 Jahre junge Arbeits-
und Geldgesellschaft.
Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts gab es heftigen Widerstand ge-
gen diese Gesellschaftsform, weil sie eine Enteignung von stofflichem Reich-
tum bedeutete. So spielte im Mittelalter das Geld nur eine marginale Rolle
von 20% der wirtschaftlichen Leistung. Die Menschen versorgten sich noch
selbst in Form der Großfamilie und anderen Gemeinschaftsformen wie der
Allmende. Wer beispielsweise Holz brauchte, konnte es sich im Wald neh-
men. Ökonomie war noch eingebettet und nur ein Aspekt des gesamten
Lebens.
Die Moderne hat die verwobene Ganzheit zerrissen. Heute verdiene
ich – wenn ich noch Arbeit habe – mein Geld in der einen Ecke der Stadt,
wohne in der anderen, kaufe in der Mitte ein, hole meine Tochter aus dem
Kindergarten, besuche meinen Vater im Altenheim, fahre ins Grüne und flie-
ge in Urlaub. Ich bin überall und nirgends, funktioniere, delegiere und kon-
sumiere. Der inneren Leere entspricht die Wegwerfgesellschaft. Der gesell-
schaftlichen Isolierung entspricht die Gleichgültigkeit der über Geld vermit-
telten Beziehungen. Der eigenen Ohnmacht entsprechen die Sachzwänge
der entbetteten Konkurrenzökonomie und das Versagen des Sozialstaates.
Die Computertechnologie entzieht der Moderne schließlich den Bo-
den. Wenn stetig und zunehmend mehr Arbeitsplätze wegrationalisiert wer-
den als überhaupt neue geschaffen werden können, dann ist dieses Gesell-
schaftssystem letztlich nicht mehr bezahlbar. Das ist die banale, aber viel-
fach verdrängte Ursache der vielen Krisenerscheinungen, wobei das Auf-
plustern der Aktien-, und Finanzmärkte nur ein Strohfeuer bedeutet, das
bald erlöschen muß.
In diesen Epochenumbruch ist das Projekt der SSM einzuordnen. Hier
wird wieder an ältere Wirtschaftsformen angeknüpft, allerdings nicht rück-
wärtsgewandt, sondern in radikal-emanzipatorischer Weise. Statt Großfa-
milie freiwilliger Zusammenschluß. Statt patriarchaler Hierarchie konkrete
Basisdemokratie. Statt religiöser Dogmen vielfältiger Humanismus. Statt Mo-
notonie vielseitige Betätigung. Statt Holzpflug
Bohrmaschine, LKW und Computer.
In der heutigen Sinnkrise und Zeiten des
Einbruchs der Marktwirtschaft befindet sich die
SSM bereits mit einem Fuß im neuen »Raum
der Möglichkeiten«. Wenn Menschen – Gesun-
de und Kranke, Behinderte, Alte und Junge, Star-
ke und Schwache, – sich zusammenschließen
und sich in das gesellschaftliche Geschehen ein-
mischen, ihren eigenen Lebenszusammenhang
regeln und gestalten, wenn sie Ressourcen wie
Häuser und Maschinen besitzen und sich das
nötige Knowhow aneignen, können sie trotz –
oder gerade wegen – weniger Geld reicher und
zufriedener leben.
Dafür steht die SSM; als reales Fenster in
eine gesellschaftliche Zukunft, die da heißt: Soviel Anfang war nie.